Nirgendwo in Europa wird im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende mehr gebaut als in Spanien. Der Bau- und Immobiliensektor machte 2007 rund 18 Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes aus. Neben dem Konsum- und Tourismussektor ist er der Motor des spanischen Wirtschaftswachtums während der letzten zehn Jahre. Alleine in 2005 entstanden 800 000 Häuser und Appartements - mehr als in Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Die Baukonzerne meldeten bis Mitte 2007 Rekordgewinne. Fast an der gesamten Mittelmeerküste wachsen weitere Siedlungen mit Straßen, Golfplätzen und Einkaufszentren. Dabei sind die meisten Strände - mit europäischer Finanzhilfe - bereits hemmungslos verbaut (Süddeutsche Zeitung, 06.04.2006). Inzwischen mehren sich die Stimmen, die den Immobilienboom mit der Internethausse auf den internationalen Aktienmärkten Ende der neunziger Jahre vergleichen - Ausgang bekannt. Seit 2007 mehren sich die Anzeichen einer handfesten Krise. Vom Bauboom besonders betroffen ist die Costa del Azahar (Küste der Orangenblüte) von Peniscola über Valencia bis Gandia und die anschließende - dem Namen nach bekanntere - Costa Blanca in der Provinz Alicante. Seit Jahrzehnten ist die Region sommerlicher Rummelplatz der Festlandspanier. Nach dem Ende der Franco-Diktatur tummeln sich hier auch die sonnenhungrigen Europäer aus weniger vom Klima verwöhnten Regionen - allen voran Engländer und Deutsche. In jüngster Zeit kommen immer mehr wohlhabende Russen und andere Osteuropäer dazu.
Durch einen Bericht der ARD sind wir aufmerksam geworden auf die in der Comunidad Valencia bestehenden Flächennutzungsprobleme und haben Ende 2006 kurzfristig entschieden, eine Exkursion durchzuführen, deren Ergebnisse wir hier zusammenfassend darstellen. Weitere Exkursionen an der spanischen Mittelmeerküste sollen folgen und auf dieser Website dokumentiert vwerden. Schauen Sie einfach Mal wieder vorbei. Es lohnt sich bestimmt.
In der Comunidad Valencia (Autonome Region, oberflächlich vergleichbar mit den deutschen Bundesländern, aber bei näherer Betrachtung doch sehr verschieden davon - siehe "Länderinfo Spanien") - regt sich Widerstand. Auf die Exzesse in der Autonomen Region wurde sogar die EU aufmerksam. Kommunalverwaltungen verteilen dort (aber auch andernorts, z. B. in Marbella, wo fast die gesamte Spitze der Stadtverwaltung wegen Korruptionsverdachts inhaftiert wurde) unbekümmert Lizenzen. 15 000 Beschwerden wegen Übergriffen gegen Eigentumsrechte sind bis 2005 beim Europaparlament eingegangen. Vorwiegend zwar von Residenten, aber auch die - vom Tourismus weitgehend abhängigen - Einheimischen beginnen zu begreifen, dass Umweltschutz kein Luxushobby von unterbeschäftigten und grüngestrickten Mittelstandsmitteleuropäern ist. Die EU hat Spanien wegen des enteignungsgleichen Landerschließungsgesetztes „Ley reguladora de la actividad urbanistica (LRAU)“ mehrfach verwarnt. Ein umfangreicher Bericht des Petitionsauschusses des Europaparlaments liegt bereits seit 2005 vor. Inzwischen ist das Gesetz zwar geändert - damit zufrieden sind aber weder die Betroffenen noch die EU. Unterdessen scheint die unter Druck geratene Regierung der Autonomen Region sich jedenfalls im wahrsten Sinne des Wortes optisch zu bewegen. Das Bauministerium erklärte in 2007, daß Kontrollverfahren gegen illegale Bauten - vor allem in geschützten Gebieten – eingeleitet wurden. Mittels eines recht einfachen und schnellen Verfahrens des Valencianischen Kartographischen Instituts ICV könnten vorher- nachher Bilder die Bauverbrechen dokumentieren - ähnlich einem Blitzerfoto der Polizei. Was aus dem Material wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Allein, die Hoffnung stirbt zuletzt. Im übrigen hat auch die Bauministerin umfassende Kontrollen der Küstenverbauung angekündigt - an bekannten Schwerpunkten aller soanischen Küsten, einschließlich der Balearen und der Kanaren. Und auf Lanzarote soll das erste mit illegaler Baugenehmigung errichtete Hotel abgerissen werden. Auch dies mit (finanzieller) Unterstützung der Zentralregierung in Madrid.
Der Report "Destrucción a toda costa - Greenpeace report about the spanisch coast situation" (July 2005, Download über www.greenpeace.es) gibt einen guten Überblick über den Zustand der spanischen Küsten. Für den Bereich der Comunidad Valencia listet er unter anderem folgende "threatened coastal spaces" auf:
- Cup of America. Enlargement of the Port of Valencia that will affect to the beaches of Arenas and Malve-rosa. - Albufera de Valencia National Parc. Modification that will affect of the regulations to the building inside. - Cullera: Construction of 33 scyscrapers, 2 hotels of 42 floors and a new marina. - Tavernes de Valldinga. Unprotection of one million square meters of the coast for urban development. - Xeraco. Declassification of agricultural lands for urban development. - Gandia, Beach of l'Ahuir. Un-protection for development. - Oliva. Development of 26.000 square meters of its north beach. - Denia. Enlargement of the towns marina with 1.000 new berths. - Benisa. 34 partial plans for development. - Altea. Enlargement of the towns marina. - La Villa Joisa. Illegal building of a hotel in the first strip of the coast.
Diese Liste enthält nach unserer Recherche nur einen Bruchteil der tatsächlichen Urbanisierungs- und Bautätigkeiten. Viele davon sind gewollt von der Regionalregierung in Valencia und von den örtlichen Behörden genehmigt. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir unsere Darstellung erweitern.